"Bei Christel Locher haben Zink und Kupfer kein leichtes Leben...
Wenn dann ihr Kessel so richtig unter Druck steht, dass ihr die Bilder aus allen Öffnungen hervorquellen, rückt sie mit Augen voller Begeisterung, worin sich ein ganzer Kunsthimmel spiegelt, und einem harten, zum Stich bereiten Stahl, den geduldig daliegenden Kupfer- und Zinkkörpern auf den Leib. Fast automatisch, von ihrer Kunsthand sicher geführt, dringt der erste Stich tief und lautlos in den Plattenkörper ein und verrichtet dort in Sekundenschnelle den Anfang eines schöpferischen Aktes.
Schon zeigen sich die ersten
Falten und Rillen und ein hinein gekratztes Liniengeflecht beginnt
sich auf der Haut der Platte auszubreiten. Sofern jetzt alles
gut geht und das Kupfer nicht doch noch verrückt spielt, eilt das
Kunstwerk mit Riesenschritten seiner Vollendung entgegen.
Voller Unruhe fiebert sie anderntags der Stunde der Wahrheit, dem Abdruck ihrer Platte, entgegen. Insgeheim hofft sie, dass alles gut geht. Doch erst wenn der weiche Lederballen in Aktion getreten ist und die Risse und Rillen von schwarzer Farbe satt sind, kann die Künstlerin mit der eigentlichen Feinarbeit, der Ganzkörpermassage beginnen. Ungemein vorsichtig wischt und massiert sie die dunklen Wesen aus dem Plattenboden heraus und verleiht ihnen allmählich Gestalt und Leben. Weich und stark stehen sie als Zeichen, und wie die Lichter blitzen.
Währenddessen hat das Bütten sein Bad genommen und liegt waschküchenfeucht zum Druck bereit. Noch zwei drei schnelle letzte Griffe bevor das gewaltige Walzwerk der Druckpresse die Platte aufnimmt. Die Künstlerin dreht die Kurbel eigenhändig mit aller ihrer Kraft, bis zum Anschlag. Dann erst gibt die Maschine den fertigen Druck frei.
Ein Schrei der Erleichterung erschüttert den Raum, hoffentlich war nicht alles umsonst. Eine Kaltnadel hat das Licht der Welt erblickt, und ungemein lebendig. Glücklich, wer so etwas erleben darf. "
Wolfgang F. Klee, 8.04. 2006 (Auszug)